Die Staudinger Gesamtschule Freiburg zeigt exemplarisch, wie moderne Digitalisierung in der Gebäudeautomation umgesetzt werden kann. Das Projekt demonstriert die Integration verschiedener digitaler Systeme zu einer intelligenten, vernetzten Gebäudearchitektur.
Systemarchitektur
Das Herzstück der Gebäudeautomation bildet ein durchdachtes dezentrales Steuerungskonzept. Anstatt einer zentralen „Mega-Steuerung“ wurde bewusst auf verteilte Intelligenz gesetzt.
In jedem der vier Gebäudeteile und auf jedem Stockwerk arbeitet eine eigene speicherprogrammierbare Steuerung (SPS). Diese lokalen „Mini-Computer“ sind jeweils für ihren Bereich zuständig und treffen eigenständige Entscheidungen.
Jede SPS funktioniert wie ein eigenständiger Manager ihres Bereichs. Sie sammelt Daten von den Sensoren, verarbeitet diese und steuert die entsprechenden Geräte – alles ohne auf andere Bereiche angewiesen zu sein.
Falls eine SPS ausfällt oder gewartet werden muss, läuft der Rest des Gebäudes normal weiter. Nur das betroffene Stockwerk ist betroffen – ein intelligentes Sicherheitskonzept, das teure Totalausfälle verhindert.
Automatisierte Gebäudefunktionen
Beleuchtungssteuerung
Das Licht in der Schule denkt mit und passt sich automatisch an die Bedürfnisse an. Durch intelligente Sensoren und moderne Steuerungstechnik wird immer die richtige Helligkeit bereitgestellt – ohne Energieverschwendung.
Jede einzelne Lampe im Gebäude kann individuell gesteuert werden. Das DALI-System (Digital Addressable Lighting Interface) macht es möglich, dass beispielsweise die Leuchten am Fenster gedimmt werden, während die am Gang hell bleiben.
Sensoren messen kontinuierlich das verfügbare Tageslicht. Bei hellem Sonnenschein dimmt das System die Kunstbeleuchtung automatisch herunter, bei bewölktem Himmel wird sie wieder erhöht – immer für optimale Arbeitsbedingungen.
Das System achtet penibel darauf, dass in jedem Raum die gesetzlich vorgeschriebenen Mindesthelligkeitswerte eingehalten werden. Für Klassenzimmer, Flure oder Büros gelten unterschiedliche Standards – alle werden automatisch erfüllt.
Verlässt die letzte Person einen Raum, schaltet sich das Licht nach einer programmierbaren Zeit automatisch ab. Präsenzmelder erkennen zuverlässig, ob sich noch jemand im Raum befindet – Energieverschwendung gehört der Vergangenheit an.
Jalousiesteuerung
Die Jalousien arbeiten wie ein intelligenter Sonnenschutz-Assistent, der den Sonnenstand kennt und für jeden Raum die optimale Einstellung findet. Das System balanciert geschickt zwischen Tageslichtnutzung und Blendschutz.
Eine hochpräzise Wetterstation berechnet kontinuierlich die exakte Position der Sonne am Himmel. Das System weiß jederzeit, aus welcher Richtung und in welchem Winkel die Sonne scheint – die Grundlage für perfekte Jalousiesteuerung.
Das Gebäude wurde in 33 verschiedene Fassadenbereiche unterteilt, je nach Himmelsrichtung und Gebäudegeometrie. Während die Südfassade anderen Sonnenschutz braucht als die Nordseite, passt sich jeder Bereich individuell an seine spezifischen Bedingungen an.
Das Ziel ist der perfekte Kompromiss: So viel natürliches Licht wie möglich ins Gebäude lassen, aber niemanden blenden und Überhitzung vermeiden. Die Lamellen werden millimetergenau positioniert, um dieses Optimum zu erreichen.
Für Reinigungsarbeiten können alle Jalousien zentral in eine spezielle Position gefahren werden: komplett herunter mit horizontal stehenden Lamellen. Das erleichtert den Reinigungskräften die Arbeit erheblich und schützt die Mechanik.
Sicherheitssysteme
Das Gebäude überwacht sich selbst und meldet jeden sicherheitsrelevanten Zustand sofort an die zuständigen Personen. Ein unsichtbares Netz aus Sensoren sorgt für umfassende Sicherheit.
An allen wichtigen Fenstern und Türen im Erdgeschoss sind unsichtbare Magnetkontakte installiert. Diese kleinen Sensoren erkennen sofort, ob ein Fenster oder eine Tür geöffnet oder geschlossen wird – ein digitaler Wächter für das gesamte Gebäude.
Sobald sich an einem überwachten Fenster oder einer Tür etwas ändert, wird diese Information in Sekundenschnelle an die zentrale Überwachung gemeldet. Kein Ereignis bleibt unbemerkt – die Hausmeister sehen alle Änderungen in Echtzeit auf ihrem Dashboard.
Besonders wichtig sind die Brandschutztüren und sicherheitsrelevanten Zugänge. Das System überwacht kontinuierlich, ob diese Türen ordnungsgemäß geschlossen sind und im Notfall richtig funktionieren würden – ein wichtiger Baustein des Sicherheitskonzepts.
Kommunikationsarchitektur
Das Rückgrat des intelligenten Gebäudes ist ein durchdachtes Kommunikationsnetzwerk. Wie das Nervensystem im menschlichen Körper verbindet es alle Komponenten und sorgt für reibungslosen Informationsaustausch.
BACnet ist die „gemeinsame Sprache“ der Gebäudeautomation – ein weltweit anerkannter Standard. Dadurch können Geräte verschiedener Hersteller problemlos miteinander kommunizieren, und das System bleibt auch in Zukunft erweiterbar und wartungsfreundlich.
Die Gebäudetechnik läuft in einem eigenen, separaten Netzwerk – getrennt vom Internet und den Computern der Schule. Das garantiert maximale Stabilität und Sicherheit, da sich Störungen oder Cyberangriffe nicht auf die Gebäudefunktionen auswirken können.
Die Gebäudeleittechnik (GLT) ist das „Gehirn“ des Systems – hier laufen alle Informationen zusammen. Von hier aus können Hausmeister und Techniker das gesamte Gebäude überwachen, steuern und bei Problemen sofort reagieren.
Protokollintegration
Verschiedene technische „Sprachen“ werden intelligent miteinander verknüpft. Jedes Protokoll hat seine Stärken und wird dort eingesetzt, wo es am besten funktioniert.
KNX ist der bewährte Standard für die „letzte Meile“ – die direkte Verbindung zu Schaltern, Sensoren und Jalousieantrieben. Robust, bewährt und einfach zu installieren, bildet KNX das Fundament der Feldebene.
Für präzise Messungen von Strom, Spannung und Wetterdaten kommt das Modbus-Protokoll zum Einsatz. Es ist speziell für industrielle Messgeräte entwickelt und liefert hochgenaue Daten in Echtzeit.
Das Digital Addressable Lighting Interface (DALI) ist der Spezialist für moderne LED-Beleuchtung. Es ermöglicht die individuelle Ansteuerung jeder einzelnen Leuchte und deren präzise Dimmung.
Die verschiedenen SPS-Einheiten tauschen wichtige Betriebsdaten direkt untereinander aus. So können sie sich gegenseitig informieren und koordiniert arbeiten, auch wenn die zentrale GLT einmal nicht erreichbar sein sollte.
Sensorik und Aktorik
Die „Sinnesorgane“ und „Muskeln“ des Gebäudes arbeiten präzise und zuverlässig zusammen. Durchdachte Redundanzen sorgen dafür, dass das System auch bei Ausfällen einzelner Komponenten weiter funktioniert.
In kleineren Nebenräumen reicht ein Präsenzmelder aus, in Klassenzimmern sind es zwei – so wird jede Bewegung zuverlässig erkannt. Die Melder erfassen nicht nur Anwesenheit, sondern messen auch die Helligkeit für die automatische Lichtsteuerung.
Einfache, aber zuverlässige Schaltkontakte überwachen Türen, Fenster und wichtige Sicherungen. Kostengünstige Taster ermöglichen die manuelle Bedienung – bei Beschädigung können sie schnell und preiswert ersetzt werden.
Zwei Wetterstationen arbeiten parallel: Die kleine KNX-Station reagiert blitzschnell auf Wind und Frost zum Schutz der Jalousien. Die große Modbus-Station liefert präzise Sonnenstandsdaten für die optimale Steuerung aller 33 Fassadenbereiche.
Robuste KNX-Aktoren bewegen die Jalousien millimetergenau in die gewünschte Position. Sie können sowohl die Höhe als auch den Lamellenwinkel präzise einstellen – für optimalen Komfort und Energieeffizienz.
Datenflüsse
Informationen fließen strukturiert und effizient durch das System – von den kleinsten Sensoren bis zur zentralen Überwachung. Klare Datenstrukturen sorgen für Übersichtlichkeit und schnelle Reaktionszeiten.
Jede SPS ist wie ein lokaler Datensammler, der alle Informationen ihres Bereichs zusammenträgt – von Temperaturen über Lichtschalter bis hin zu Jalousiestellungen. So entsteht ein vollständiges Bild jedes Stockwerks.
Die SPS-Einheiten sind nicht nur passive Datensammler, sondern treffen eigenständige Entscheidungen. Sie berechnen optimale Einstellungen, reagieren auf Änderungen und sorgen für automatische Abläufe – auch wenn die Verbindung zur Zentrale unterbrochen ist.
Alle Daten werden über das standardisierte BACnet-Protokoll zur zentralen GLT übertragen. Diese einheitliche „Sprache“ sorgt für Kompatibilität und macht das System herstellerunabhängig und zukunftssicher.
In der GLT laufen alle Informationen zusammen und werden übersichtlich dargestellt. Hausmeister und Techniker sehen auf einen Blick den Zustand des gesamten Gebäudes und können bei Bedarf sofort eingreifen.
Zentrale Gebäudeleittechnik (GLT)
- Online-Dashboard: Web-basierte Benutzeroberfläche
- Echtzeit-Überwachung: Alle Gebäudezustände live
- Alarmmanagement: Zentrale Meldung von Störungen
- Benutzerrechte: Zugriff für Hausmeister und Verwaltung
Energiemanagement
- Verbrauchserfassung: Spannung, Strom, Leistung am Netzanschluss
- Schaltanlagen-Status: Überwachung aller Verteilungen
- Potenzial für Historisierung: Trendanalyse technisch möglich
Wetterintegration
- Kleine KNX-Wetterstation: Schnelle Wind-/Frostschutz-Reaktion
- Große Modbus-Wetterstation: Präzise Sonnenstandserfassung
- Redundante Datenhaltung: Erhöhte Betriebssicherheit
Besondere Räume
- Medientechnik-Integration: Mensa und Theater mit Vorrang
- Übersteuerungsmöglichkeit: Automation kann gesperrt werden
- Einheitliche Bedienung: Keine zusätzlichen Interfaces nötig
Benutzerinteraktion
- Manuelle Übersteuerung: Nutzer können Automatik lokal anpassen
- Zeitverzögerte Rückschaltung: Automatik aktiviert sich wieder
- Reinigungsmodus: Zentrale Aktivierung über GLT
- Kosten-effiziente Bedienung: Günstige Taster für Grundfunktionen
Digitalisierungsgrad
- Hoch: Vollständig vernetzte, intelligente Systeme
- Skalierbar: Modularer Aufbau ermöglicht Erweiterungen
- Zukunftssicher: Standardprotokolle und offene Schnittstellen
Innovationsaspekte
- Fassadenspezifische Steuerung: 33 verschiedene Bereiche
- Redundante Sicherheit: Mehrfache Absicherung kritischer Funktionen
- Intelligente Energieoptimierung: Selbstlernende Anpassung
- Nahtlose Integration: Verschiedene Gewerke in einem System
Herausforderungen
- Komplexität: Hoher Planungs- und Konfigurationsaufwand
- Abhängigkeiten: Vernetzung erhöht potenzielle Fehlerquellen
- Wartung: Spezialisierte Fachkräfte erforderlich
- Datenschutz: Umfassende Überwachung erfordert klare Regelungen